Tag
4.
Wir entscheiden uns jeden Tag dazu wie
wir uns fühlen können. Ich lasse bestimmte Gedanken zu. Du schließt bestimmte
Gedanken aus. Anders kann ich es mir nicht erklären, wie du noch immer kein
Wort in das kleine Gerät getippt hast, dich nicht meldest.
Du schließt mich aus deinem Herzen aus.
Es ist okay, was soll ich machen? In mir tobt noch immer dieser unsägliche
Regenschauer, doch die Sturzfluten sind vorbei. Allmählich zieh sich das Wasser
zurück und die Schäden kommen zum Vorschein. Ein bisschen denke ich – es fühlt
sich schlimmer, als es ist. Mache ich mir vielleicht doch zu viele Gedanken?
Gebe ich deinem – wir machen weiter, gib mir ein bisschen Zeit – einfach zu
wenig Gewicht und lege meine verzweifelte Unsicherheit in eine Waagschale, ohne
Ausgleich?
Ich lese unsere Nachrichten und suche
nach Erklärungen, nach Indizien. Nichts. Kein Wort der Ablehnung, ein gute
Nacht Kuss, ein Vermissen hie und da.
Ich höre alle nur reden, dass du es
nicht wert bist weiter an uns zu glauben. Jeder sagt – lass ihn gehen, er will
dich nicht, er hat ein anderes Mädchen, er denkt nicht an dich, er interessiert
sich nicht mehr für dich. Mein zartes Herz hört in Dauerschleife all diese
Tiraden. Mein Bauch aber klopft noch immer, wenn ich nur deinen Namen denke.
Was also kann ich tun? In all dieser
Machtlosigkeit muss es einen Sinn geben.
Das einzige, was ich sicher weiß, dass
ich dich nicht aufgeben will, dass ich das Gefühl nicht aufgeben will.
Vielleicht muss ich es nicht. Ich weiß nicht, woher meine Hoffnung kommt und
ich bin mir nicht einmal sicher, ob es überhaupt Hoffnung oder ein letzter
Versuch ist an dir festzuhalten. Vielleicht und nur vielleicht – muss ich dich
einfach gehen lassen.
Und darauf vertrauen, dass du weißt,
wohin dein Herz gehören kann.
Ich lass den Druck ab.
Tag
5.
Ich kann dich nicht beeinflussen. Ich
habe keine Macht über das, was du fühlst.
Das einzige, was ich beeinflussen kann,
sind meine Gedanken. Weißt du, mit welcher Inbrunst ich an mir pfeile, der Kopf
voller flausenhafter Worte, voller Gespenster, voller Wiesen mit aufsteigenden
Vögeln, die laut quakend in den Süden ziehen. Ein Karussell mit all seinen
unterschiedlichen Sitzplatzen surrt unaufhörlich durch meinen Kopf.
Ich ziehe die Beine an und halte mich
ganz fest.
Hast du dich jemals wirklich gespürt?
Ich fühle mich durch jeden einzelnen
Muskel in meinem Körper, ich fühle meinen Po auf den weichen Polstern sitzen,
ich streiche mir verloren über die Arme, spüre die kleinen Härchen, tippe sacht
auf kleine Sommersprossen. Ich streichle meinen Bauch und fahre über meinen
Hals, an dem es unaufhörlich pulsiert. Spürst du, wie du lebst? Spürst du dein
Herzklopfen? Ich höre mich leben, ich fühle das Leben in meinen Händen, wie sie
an ihren Spitzen dankbar sind und meine Weichheit erfassen. Wie weich wir sind,
wenn wir uns unserer selbst bewusst sind. Wie selbstverständlich sich die Haut
um Knochen und Fasern legt und geschmeidig und verständlich jede Bewegung geht.
Wie selbstverständlich wir uns sind.
Allzu oft stelle ich mich in Frage,
zweifle, trage Ängste durch die Tage. Ich verpasse Chancen und das Leben. Und
während ich verpasse und strauchle, seh ich mich, wie doch eigentlich alles gut
scheint. Wo kommt das Wieso her, wenn das doch ganz egal scheint und ich nur
gehen muss, die Hände ausstrecken brauch und dort Hände warten, die nur darauf
warten sich in meine zu legen.
In meiner verschwiegenden Einsamkeit,
auf diesem Sofa sitzend weine ich bittere Tränen voller innerer Kämpfe. Und
merkte während ich dort Schlachten führe, dich ich nicht gewinnen kann, dass
ich sie im Grunde nicht führen muss. All das innere Alleinsein ist nur
alleinsein, weil ich die Tür nicht aufmache. Ich ziehe mich selbst von der Liebe
um mich herum ab, wie einen schlechten Mitarbeiter von einem Projekt. Dabei bin
ich dafür gemacht. Jede keine Zelle meines Selbst sehnt sich nach der
Zuneigung. Und dann kommt sie – so unverhofft und überwältigend, dass ich strauchle.
Ich stolpere über meinen eignen Wunsch und kann dich nicht halten.
Weißt du, wie furchtbar es ist diese
Schuppen auf den Augen abfallen zu sehen, dort Licht zu sehen und dann aber –
den Fisch schuppenlos ins Wasser werfen zu müssen? Ich sehne mich so nach
deinen Küssen, nach all der Zuversicht in deinen Armen, dass ich gar nicht
merkte, dass all das so greifbar, so echt war und mich von meinen Zweifeln
mitziehen ließ.
Und da sitze ich, noch immer mit
angezogenen Knien auf dem Sofa und weiß – Lass ich die Liebe der anderen nicht
rein, gebe ich mir selbst nicht die Erlaubnis zum glücklich sein, kann noch so
viel um mich herum sein, kann ich noch so viel geben und erwarten, sie wird wie
Wassertropfen auf mir abperlen. Und während ich dort sitze und merke, dass ich
ein Verdurstender bin und im Wasser stehe, gibt es dort so unverhofft
Rettungsringe, Arme, die sich nach mir ausstrecken. Tränen, die für mich
geweint werden.
Hat dich jemals jemand anderes in sein
Herz gelassen und dich nicht herausgeschickt, als es ihm nicht mehr gepasst
hat? Warst du jemals für jemanden gut genug? Warst du jemals bedingungslos
wichtig? Gab es Tage an denen du dich nicht reiben musstest um dich zu spüren?
Mich selber in diesem Grauen der Ferne
zu finden, ist wohl das größte Geschenk, das ich mir mache. Ich frage mich
gerade, ob unser Unglück meine größte Hürde sein wird um endlich, endlich zu
mir zu finden.
Tag
6.
Aufzuwachen mit deinem Namen, auf
meiner Haut, auf meinen trockenen Lippen. Überall Schatten. Doch da ist auch
Licht, Licht in meinem Herzen. Dort halten mich Arme fest und wischen mir
Tränen und Haarsträhnen aus dem Gesicht.
Hat für dich schon einmal jemand
geweint?
Ein kleiner Gruß von mir bleibt
unbeachtet. Wie kann ich nur an dir festhalten, wenn du uns doch schon längst
verloren hast, irgendwo im Atlantik. Irgendwo zwischen den Wolken und der
Schwerelosigkeit, die du gern in deine Tage legst und dabei doch im Grunde nur furchtsam
vor deinen inneren Gespenstern davonläufst.
Habe ich in dir die Geister geweckt und
du weißt nicht wie du deinen Patronus herbeischaffen sollst? Habe ich dir deine
Abgründe gezeigt und du willst nur rückwärts laufen, aus Angst herabzustürzen? Oh,
wie ich das verstehen könnte. Wie ich nickend neben dir säße und mich sagen
höre – ja, geh nur, lass ab davon, mach die Kiste wieder zu, es ist doch zu
schwer.
Doch gleichzeitig sehe ich das Schwert
in meiner Tasche blitzen, sehe mich kriegerisch und unerschrocken und bereit
gegen diese Sorgen anzugehen. Manchmal, reicht auch ein Patronus. Und meiner,
ja meiner ist groß und stark und unheimlich hell. Denn, so gern ich kopfnickend
mit dir rückwärts laufen würde, kann man doch nicht davonlaufen. Wir können
nicht umhin diese Dinge am Schopf zu packen und ihnen mutig entgegenzutreten. Bist
du mutig genug dich auf dein Glück einzulassen?
Und während ich tippe und nach Worten
suche, stelle ich mir vor, wie deine Augen an dieser Frage hängen bleiben und
höhnisch schmunzeln und wagemutig abstreiten – ich bin doch glücklich, ich bin
mutig und ich habe positive Gedanken, du bist es doch, die nicht ablassen kann
von all der Schwere in ihrem Rucksack.
Und dann sehne ich mich danach deine
Hände in meine zu legen, sie dir zu zeigen, dir einen Spiegel zu geben und dich
anzuschauen – bist du bereit für ein großartiges Leben mit mir, bist du bereit
Verdrängung abzulegen, Dinge wegzuschieben und stattdessen das wahrhaftige
Leben hineinzulassen? Mich hineinzulassen? Ich merke an den vergehenden
Stunden, dass es doch am Ende nicht nur ich bin, die sich nicht vertraut. Auch
du, in all deiner Wunderbarkeit du keinen Platz für Zuneigung schaffst.
Alles was du schaffst ist
Oberflächlichkeit, ist Geplänkel, ist einsamer Spaß. Weißt du wie sich wahre
Freude anfühlt, die nicht verpufft, wenn man das Gefühl hat für den anderen nur
nützlich zu sein? Freude, die einem einer gibt, nur weil du du bist. Hast du
jemals gespürt, dass du um deiner selbst willen geschätzt wirst? Die Liebe
kommt in unterschiedlichsten Gewändern und nur, weil du oft nicht sehen willst,
welches Kleid sie trägt, ist sie nicht abwesend. Jeder zeigt sich in einer
anderen Form und geht es denn nicht um das wie und nicht um das das?
Ich trage dich schweren Herzens durch
die Tage und flüstere leise deinen Namen, aber ich flüstere auf Zuversicht, mir
und auch ein bisschen dir zu.
Und da stehe ich, bereit für das Leben
und in meiner dunkelsten Stunde spüre ich, wie langsam in mir etwas aufbricht.
Ich lasse Licht hinein. Ich gebe der Schwermut ein bisschen weniger Raum.
Tag
7.
Wie leidenschaftlich Menschen sein
können, wenn man sie lässt. Ich bin noch immer ohne Antwort von dir und
entferne mich langsam von dem Gedanken für dich genug zu sein.
Vielleicht bin ich es nicht.
Trotzdem, bin ich genug für mich.
Stunde um Stunde nehme ich mehr Gestalt
an und fühle, wie ich weiße Flaggen hisse und den inneren Kampf ruhen lasse.
Ich schaue in den Spiegel und sehe dort
leuchtende Augen voller Kraft, voller zögerlichem Eingeständnis, genug,
wertvoll zu sein.
Ein kurzer Anruf, ein endloses Straucheln.
Eine Absage aus zweiter Hand für die Zuversicht.
Der Hörer wird aufgehangen und an mir
hängt das Pech, wie an Marie.
Ich laufe los und will nicht atmen,
will nicht sein, will nicht fühlen, was ich fühle. Ich will nicht einmal mehr
ich sein.
Wenn ich in diesem Augenblick nicht
bereit für all die lieben Worte gewesen wäre, ich hätte mich in mir selbst
verloren. Zu sehen, wie wenig du an uns festhältst, mich augenscheinlich aus
deinem Leben wirfst, war zu viel. Wie wenig kann ich dir bedeuten, dass nicht
einmal eine Absage genug für mich ist. Kein Wort von dir.
Doch ich merke, wie ich, so voller
Gedanken, so voller Lügen implodiere. Ich möchte ausreißen, möchte ausreisen.
Und ich kann nur all die Qualen in
wenige Worte stecken und sie per Luftpost zu dir senden. Ich schicke sie weg,
weg von mir, ich kündige meine Bereitschaft. Ich höre, wie mein Herz kläglich
zerbricht.
Wie ich die nächsten Stunden überstehe,
weiß ich nicht – dort ist Wut und Sehnsucht, so viel Lust und Leidenschaft, so
ungefiltert fließt all das durch mich hindurch und ich kann mich kaum auf den
Beinen halten und dann liege ich da und verabschiede mich innerlich von dir,
von einem Gedanken an uns, weil du mich in einer Wertlosigkeit zurücklässt, die
ich nicht mehr spüren will.
Es sind die so bekannten Töne des
Telefons, das vertraute Gesicht auf dem Bildschirm, das mich herausreißt.
Es folgen Worte der Besinnung, der
Unterstützung mich in mir selbst finden zu sollen, mir meiner Großartigkeit
bewusst zu werden und am Ende steht dort die Frage nach Aufrichtigkeit und es
dir nicht recht machen zu können, der Wunsch nach etwas, was du selbst nicht
benennen kannst. Nach mehr und doch, weniger als perfekt und doch – genau das. Mehr
noch – ein Wunsch, mich nicht formen zu wollen und die Annahme, dass ich mich
selber an dich schmiege um dir zu gefallen.
Wie könnte ich weniger sein als das,
was ich bin? Da sitze ich, am Bettrand, so voller Bereitschaft, so viel Aufrichtigkeit
und in der intuitiven Richtigkeit meiner Worte siehst du Berechnung, siehst du
Verstellen. Du willst, dass der andere ist, wie er ist und dann soll es passen
und merkst gar nicht, dass du das gerade aus deinem Leben wirfst, deine Stimme mich
sanft aber bestimmt wirft, aus der
Leitung, aus unserer gemeinsamen Zeit, mit einer Gewissheit, mit einem Selbstverständnis,
dass ich danach nur lachend dort sitzen kann und nicht umhinkomme mich zu
fragen: Kann nicht mal genug genug sein? Ist genau richtig, nicht genau
richtig? Und ich frage mich weiter – wie kannst du an meiner Aufrichtigkeit
zweifeln, wenn ich doch immer gesagt habe, was ich will und was nicht – und wie
kann ich nicht all das wollen, was wir haben? Man schreit mir in all den
Gesprächen hinterher, ich solle nicht nur an dich denken, sondern auch einmal
an mich. Und keinem fällt auf, dass ich dich ganz eigennützig streichle, dass
ich ganz egoistisch in Restaurants laufe und mit dir neue Dinge ausprobiere,
ich dich zum Weggehen verführen will, weil ich die Freiheit in den Hallen
greifen kann, eine Freiheit, nach der ich mich so gesehnt habe. Keinem, nicht
einmal dir, fällt auf, dass in all dem eigentlich nur die Erfüllung meiner
Wünsche steckt – und sie sich an manchen Stellen einfach zu deinen
zusammenfügen.
Tag
8
Und noch einmal hängt zwischen dem
Atlantik und dir mein unausgesprochenes – Warum ist genau das, was sich toll
anfühlt, nicht einfach genug? Nie habe ich mich freier gefühlt als mit dir und
nie hatte ich mehr Angst als mit dir – weil ich, wenn ich dich sehe, meine
Zukunft sehe in ihren schillerndsten Farben, in ihrer unglaublichen Vollkommenheit,
in ihrer – Imperfektion, die mir keine Angst macht. Bei dir so sein zu können,
wie ich bin, war das größte Geschenk und ich sitze dort und sehe – dass meine
Erkenntnis aus den letzten Tagen, mir selbst genug zu sein, mir die Liebe
erlauben zu dürfen – mich meiner größten Liebe beraubt. Der Liebe zu einem
gemeinsamen Leben mit dir. Ich merke, wie mein Herz sich überschlägt und nicht
nur dir macht das Angst, oh, ich habe so furchtbare Angst, dass mein Gefühl für
dich überkocht, wie Milch auf die man nicht aufpasst. Doch so wie Schokopudding
dir Tränen in die Augen treibt, treibst du mich an, treibt mich all das an, was
wir haben, im Leben zu bleiben und es zu packen und in mich aufzusaugen. Ich
bin deiner nicht müde und ganz gleich, wie wenig Vertrauen du in mich steckst,
an mir zweifelst. Ich vertraue mir und, wenn du es nicht kannst – dann wird es
ein anderer können. Ich bin bereit für die Liebe.
Über uns hängt diese Schwermut und
zeigt sich von ihrer traurigsten Seite. Aber ich möchte das nicht. Ich möchte
unsere tanzbare Leichtigkeit und flauschigen Fischküsse und Nasenreiber durch
das Fenster schicken und all die Zweifel liegen lassen. Ich möchte die nicht
einpacken, nein, vielmehr ihnen eine bunte Kiste basteln, die gut versorgt
wissen und abgeben, auf einen strudelnden Fluss setzen und davon schwimmen
sehen. Oder ist es letztlich doch einfach so, dass du nur nicht sagen kannst –
Ja, genau das ist das Leben, das ich haben will, aber ich möchte es nicht mir
dir? Dann lass mich gehen, denke ich – sag es frei heraus, das dort für dich
eine andere Zukunft wartet, vielleicht sogar schwingt das in deinen Worten mit
und ich will es nur nicht begreifen. Kann nicht begreifen, wie man nicht will,
dass man miteinander Träume trägt und Wünsche wahr werden lassen kann, ohne
viel Aufwand. Und doch – ja möglicherweise, bin nicht ich es, mit der du das
haben möchtest, vielleicht es einfach nur das. Kannst du mich dann gehen
lassen?
Ich frage mich kreiselartig, ich
duelliere mir nachts und kann gar nicht gewinnen und eigentlich nur verlieren
und außerdem gibt es keinen Sieger, denn wer kämpft gegen mich außer ich? Und warum
muss ich kämpfen, wenn ich doch in meinem eigenen Team spiele? So gern ich das
alles mit dir haben will – vielleicht warst du nur Helfer mich zu mir selbst zu
bringen. Und so bist du größtes Glück und größtes Unglück, wenn ich dich gegen
meine Wertigkeit eintausche.
Wenn aber das der Preis ist um mich
selbst zu akzeptieren bezahle ich – denn ich kann nur bereit für das Leben
sein, wenn ich mich selbst lasse. Das weiß ich jetzt.
Weißt du das auch? Das dort ein Leben wartet, noch satter als die importierten Kirschen, denen du vollen Geschmack zu schreibst?
Weißt du das auch? Das dort ein Leben wartet, noch satter als die importierten Kirschen, denen du vollen Geschmack zu schreibst?
Ich lasse die Gedankenmonster hinter
mir, ich möchte sie so gern hinter uns lassen. Begreifen wir es, dass wir uns
alles und am Ende unglaublich genug sind?